Freitag, Juni 17

III. Der Liebhaber, Marguerite Duras





"Schreiben galt ihnen noch als moralisch. Heute scheint Schreiben recht oft nichts mehr zu sein. Manchmal weiß ich: wenn das Schreiben nicht, alle Dinge vereinend, ein flüchtiges Sprechen in den Wind ist, so ist es nichts. Wenn das Schreiben nicht jedesmal alle Dinge zu einem einzigen, seinem Wesen nach Unbestimmbaren vereint, so ist es nichts weiter als Werbung. Meist aber habe ich keine Ansicht, ich sehe, dass alle Bereiche offenliegen, dass es keine Mauern mehr gibt, dass das Geschriebene nirgends mehr einen Ort findet, sich zu verbergen, zu entstehen, gelesen zu werden, dass seine fundamentale Anstößigkeit nicht mehr respektiert wird, doch weiter denke ich nicht." (S. 15)


Marguerite Duras hat mit ihrem Roman Der Liebhaber mein Herz ganz im Vorbeilesen gewonnen. In ihrem zumindest teilweise autobiographisches Roman erzählt Duras in der Rhythmik poetischer Erinnerungsbrüche über die erste Liebe eines französischen Mädchens, das in der indochinesischen Kolonien Frankreichs gelebt hat. Die Erzählerin schreibt über sich und über das Mädchen in einem Versuch sich zeitlich zu distanzieren, sich von sich selbst zu trennen, um besser über sich berichten zu können. Die Stücke ihrer Vergangenheit lösen sich von der Protagonistin los und gewinnen ihre eigene Kraft.
Marguerite Duras schreibt Poesie in der Form von Prosa. Ihr Roman ist ein Gespräch bei dem die Schrifstellerin gemütlich vor ihrem Leser mit einem Weinglas in einer Hand und einer Zigarette in der anderen sitzt. In Annäherung an dem nouveau roman schreibt Marguerite Duras assoziativ und enthüllt in diesem poetischen Spiel die Momente ihrer Zeit als weißes Mädchen in der französischen Kolonie. Sie erzählt ohne Ordnung aber mit einem starken menschlichen Empfinden, das ihre Schreibweise als ein einzigartiges literarisches Kompositum kennzeichnen.

Der Liebhaber ist eine Liebesgeschichte, eine traurige Geschichte, eine Familiengeschichte. Der Liebhaber ist eine Geschichte ohne Zeit, eine Geschichte der unsterbliche Erinnerung. Es ist eine Geschichte im Raum, es geschieht auf der Fähre bei der Überquerung des Mekong Flusses und alle weitere Reisen, worüber das junge wilde Mädchen erzählt, führen alle zu dem einen und demselben Moment: die Überquerung des Flusses, die Limousine und der Chineser aus Cholen.
Der Liebhaber ist wie das Leben: man kann das Ende so einfach vergessen.

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