Sonntag, Oktober 23

XIII.a. McCullers, The ballad of the sad café




“But the hearts of small children are delicate organs. A cruel beginning in this world can twist them into curious shapes. The heart of a hurt child can shrink so that forever afterward it is hard and pitted as the seed of a peach. Or again, the heart of such a child may fester and swell until it is a misery to carry within the body, easily chafed and hurt by the most ordinary things.”


Es ist mir immer eine große Ehe die Romane von Carson McCullers zu lesen. Ihr Schreiben ist simpel, ihr Blick scharfsinnig und einfühlsam, ihre Geschichten zartliche und einsame Stücke von Fiktion gewürzt mit einer diskreten Prise biographischer Anspielungen. In den Worten von Carson McCullers: "everything significant that has happened in my fiction has also happened to me."

The ballad of the sad café
erzählt uns die Geschichte von Miss Amelia, Cousin Lymon, der Bucklige, Marvin Macy und die Einwohner einer kleinen vergessen Stadt Amerikas. Miss Amelia, eine selbstständige Frau, deren Eigenschaften interessanter Stoff der gender studies geworden ist, ist der Kern eines Liebesdreieck, dessen Glück das Schicksal des Cafés bestimmen wird. Das Café, dessen Name nie bekannt gegeben wird, ist trotz sein Protagonismus im Titel nur den Raum für eine viel tiefgründigere Erzählung. Vielmehr als über die Merkwürdigkeiten einer Beziehung zwischen der bisher kaltherzigen Miss Amelia und den fremden Bucklige mit unbekanntem Herkunft, verwickelt sich der Erzähler in einem Spiel zwischen dem Liebenden und seinem Geliebten. Diese Rollen innerhalb des Spieles der unerwiderten Liebe sind abstrakt und, ohne es zu merken, wandeln die Hauptfiguren von einer Instanz in der nächsten auf der Suche nach ihrem Platz in der Welt.

Interessant ist es auch in diesem Roman die eher sekundäre aber jedoch prägnante Rolle der Einwohner der Stadt und Besucher des Cafés: sie sind die Verkörperung im Rahmen der Erzählung der Person, die gerade sich gemütlich gemacht hat, um diese Seiten zu lesen. Indem die Perspektive der Einwohner geschildert ist, wird der Leser in der paradoxen Handlung einer verlorenen Liebe hinein gewickelt.

The ballad of the sad café ist einer der bekanntesten Romane von Carson McCullers, deren Liebe zur menschlichen Einsamkeit und grotesken Aussenseiter ihr gesamten Werk beeinflusst hat. Nach der Autorin sind genau diese Gestalten, die jeden von uns irgendwann im Leben kennen gelernt hat, die das wohlbekannte Paradox des Lebens blühen lassen.

XIII. Carson Mccullers... Her heart was a lonely hunter (1917-1967)


"Like all writers of original genius, Miss McCullers convinces us that we have missed something which was plainly to be seen in the real world...She is a master of peculiar perception and an incomparable storyteller" (V. S. Pritchett)



Es gibt wenige Schriftsteller, die so eine Intimität mit den Worten teilen, wie Carson McCullers. McCullers schreibt als ob sie bloss das Medium der Worten wäre. Ihr brüchiges und naïves Wesen versteckt die Stärke einer literarischen Reife, die sich von der zeitgenössischen Welt von Carson McCullers entfernt. McCullers hatte ein volles Leben, überfüllt mit Leidenschaften, Schmerz und Lust: ihre stürmische Ehe mit einem Ex-Soldat, Reeve McCullers, ihre Schwierigkeiten ihrer Alkoholsucht zu überwinden und ihr brüchiges Gesundheitszustand beeinflussten schon vom Anfang an ihre Werke. Geboren im Jahr 1917 wollte Lula Carson Smith Pianistin werden und aus diesem Grund verließ sie das Haus ihren Eltern mit 17 Jahren alt, um in Savannah Piano zu studieren. Das Leben war nicht einfach für Lula Carson Smith: Sie verlor das Geld für ihren Studium und ging nie an die Piano Schule. Ihre erste Schritte richtung das Schreiben machte sie an die Columbia University. Ihr erster Werk Wunderkind wurde 1963 veröffentlicht.
Ihre Ehe seit 1937 mit Reeves McCullers war für Carson McCullers eine stetige emotionale Kampf. Es waren stürmische Zeiten für die junge Schriftstellerin: alkoholischer Eifersuchtswahn und Neid zerstörten die leidenschaftliche Beziehung des literarischen Paares. Jedoch nach einer Scheidung im Jahr 1941 heirateten sie erneut 4 Jahre später. Ihr erstes literarisches Erfolg war The heart is a lonely hunter (1940), indem die Skizze von dem sein sollten, was heutzutage der Stil von Carson McCullers bezeichnet. Sie war die literarische Stimme der Aussenseiter ihrer Zeit: die Schwarzen, die Schwachen, die Kinder, die Armen und die Kranken. Die stark sozial und wirtschaftlich hierarchisierte Gesellschaft einer Amerika, die sich noch nicht ganz definiert hatte, diente als Plattform ihrer Romane und Erzählungen, die die Leidenschaften und Konfrontationen ihrer Figuren in wunderschönen expressionistischen Bilder darstellt.
Während ihrer Scheidung gehörte McCullers zu einer der prägnantesten literarischen Gruppen ihrer Zeit: sie wohnte in einem Haus, das der Redakteur von Harper's Bazaar gehörte, zusammen mit anderen Schriftstellern und Künstlern. In dieser Zeit veröffentlichte sie ihren zweiten Roman Reflections in a golden eye (1941), der Objekt harter Kritik im literarischen amerikanischen Kreis war. Die provokative und stark sexualisierte Stimme dieses Romans schokierte die noch puritanische Gesellschaft der 40er Jahre.
Immer beeinträchtigt von einem zerbrechlichen Gesundheitszustand blühte jedoch ihre Karriere. Noch in den 40er Jahren veröffentlichte Carson McCullers zwei ihrer meist bekannten Geschichten The ballad of the sad café (1943) und The member of the wedding (1946).

Carson McCullers starb an einem Gehirnschlag im September 1967 nach einem langen Kampf gegen ihrer Krankheit. Sie hinterließ eine zahlreiche literarische Erbschaft, die bis heute noch viele Leser begeistert.

Mittwoch, Oktober 12

XII. Tino Hanekamp, So was von da



"Alle denken immer nur an sich, nur ich nicht. Ich denke an sie.
Heute ist die letzte Nacht. Heute noch und dann ist Schluss.
Wie halten die Leute eigentlich ihr Leben aus?
Das wird dich Demut lehren, Fatzke.
Mathilda hat mir die Liebe versaut.
Die ganze Kunst ist futsch.
Krieg ist schlimmer.
Plötzlich: Stille.
Und all das geschieht immer und immer wieder, bis in alle Ewigkeit.
Ich befürchte, ich bin wach. "


Sowas von geil! Und somit könnte ich fast diesen Post beenden.
Dieses Roman von Tino Hanekamp war mal wieder Opfer meiner literarischen Skepsis: das erste Roman von einem Hamburger Club Besitzer war keinen leichten (und auch keinen richtigen) ersten Eindruck von diesem Roman. Unsere erste Begegnung war an einem Donnerstag, den genauen Tag weiss ich leider nicht mehr. Oder war es vielleicht einen Mittwoch? ach, egal! Ryo las an diesem Tag...Abend im Café Hilgenfeld in Erfurt im Rahmen einer elektronischen Tanzlesung, die erstmal eine alergische Reaktion verursachte und sich dann später als wunderbares Amusement herauszustellen. Ich ließ mich anstecken, von den Worten und dem Rhythmus. Das Buch von Hanekamp wollte ich auf jeden Fall lesen!

Ich bewundere gerade diese Menschen, die es auf die beste Art schaffen, weniger als 24 Stunden in über 300 Seiten zu packen. Es ist eine Frage der Ausdehnung, nicht der Verdichtung. Immer am Laufen, immer am Denken, immer am Sein. Selbst wenn Oscar es gerne anders hätte: Sein muss schon irgendwie sein. Sowas von da ist die Geschichte von diesem Tag, nicht irgendeinem, sondern einem ganz besonderen. Es ist Silvester: ein Tag des Wandels, in dem alles passiert und alles gezwundenermaßen nur gut ausgehen darf. Nicht die Russen. Nicht die Schulden. Nicht der Krebs. Nicht Mathilda. Mathilda.
Hanekamp faszinierte mich mit seiner sprachlichen Durchsichtigkeit: weder literarisch aufgesetzt, noch künstlich billig... Hanekamp schreibt als ob man ein mikroskopisches Gerät hätte mit der Fähigkeit Worten aufschreiben. Roh. Es ist ein Vergnügen jeder Seite zu entdecken...mit jeder Macke, jedem Angst, jedem Rausch sind wir, als Leser einen Stückchen mehr drin.

Am Ende sind wir sowas von drin. Und es ist eigentlich ganz schön hier.

Sonntag, Oktober 2

XI. Haruki Murakami, Sputnik Sweetheart


Und wo ist der Unterschied zwischen Zeichen und Symbol?


"So ist das Leben. Wie schwer und tödlich unser Verlust auch sein mag, wie wichtig auch immer das, dessen wir beraubt wurde: Wir leben einfach weiter. Selbst wenn nur noch die äßerste Schicht unserer Haut die gleiche geblieben ist und wir zu völlig anderen Menschen geworden sind, strecken wir die Hände nach der uns zugemessenen Zeit aus, holen sie ein und bringen sie schließlich hinter uns." (S. 219)

Mein erstes Murakami. Ich hatte immer - gebe ich ehrlich zu - eine tiefverzierte Widerwille im Bezug auf seine Romane. Auf einmal begegnete ich ihn überall: Buchhandlung, literarische Kritiken an Zeitschriften, blogs und und und. Seine Bücher waren in jeder Hand und seine Titel dürfte ich an jeden Blatt lesen. Alle waren begeistert von Murakami, nur ich nicht.
Es kam mir so vor als ob Murakami von einem Tag zu dem anderen zahlreiche Romane veröffentlich hätte. Einfach so. Das war mir doch in gewisse Weise unheimlich. Jedoch wollte ich nicht verurteilen ohne dass ich dem Autor zumindest eine Chance gegeben hätte. Aus diesem Grund las ich Sputnik Sweetheart.

Sputnik Sweetheart liest sich gut. Die Geschichte entwickelt sich langsam, jeden Faden hakt an einander: die Figuren bauen sich nach und nach auf, die Beziehungen werden nur in kleinen Schritte abgezeichnet und die Handlung enthüllt sich in einer geheimnisvollen Art. Am Ende wird doch alles ein bisschen besser als es erstmal scheint. Die Geschichte von Sumire und ihren Traum Schriftstellerin zu werden wird dem Leser von ihrem einzigen Freund erzählt, dessen Name (wie sich dem guten Erzähler gehört!) nicht einmal erwähnt wird. Sumire träumt, sie verliebt sich und dann stirbt, mehr oder weniger symbolisch. Die Hauptfigur von Sputnik Sweetheart ist eine Rüstung voller Klischees... Sie begibt sich den Weg der Liebe (die noch dazu homosexuell ist) und auf diesem Weg verwandelt sie sich von einer Schriftsteller Anwärterin, die keine soziale Verhältnisse verträgt, in einer hohlen modernen Frau, deren Interessen sich zwischen der Körperkultur und high society beschränkt. Sumire schwankt zwischen zwei imaginären aber irgendwie auch gemütlichen sozialen Extremen einer Gesellschaft von Stereotypen.

Murakamis Symbolik, die vielleicht aus kulturellen Gründen, mir verborgen geblieben ist, kommt mir im Allgemein schon ein bisschen klischeehaft vor: die melodramatische existentielle Fragen einer doch ziemlich snob Träumerin, die himmlische Strände und Ruhe eines verlorenen grieschischen Insels, das Verschwinden auf der Suche nach dem Selbst, der doch gefunden wird, aber nicht wirklich besser geworden ist...



Ja. Ich habe Murakami eine Chance gegeben. Und diese war vermutlich die letzte.