Das Wetter war definitiv auf unsere Seite: um 21h abend, schon eindeutig zu spät für den angemeldeten Termin, saßen noch alle neugierige Zuschauer gemütlich an den Holztischen vom Café Hilgendfeld mit Blick auf den Erfurter Dom. Die Sonne kämpfte noch eine Weile mit der Nacht, um uns noch ein bißchen seines Lichtes zu schenken. Die war kaum da die letzte Monate. Die Musik, die die unterschiedliche Gespräche und Diskussionen begleitete, lief melodisch im Hintergrund aber gleichzeitig auch auffordernd, als ob sie uns im Takt noch erinnern möchte, dass noch etwas kommen soll....
... plötzlich hörte die Musik auf.
Die Leute bewegten sich langsam hinein und suchten sie ein gemütlichen Platz. Wie sicherlich schon bekannt, ist das Café Hilgenfeld in Erfurt angenehm klein: klein und lauschig; klein und kaffeewohlriechend; eine richtige Atmosphäre für ein literarisches Beisamensein. Wir saßen alle: auf der Bank oder auf der Heizung, auf den Stühlen oder auf dem Boden. Einige standen an die Türrahmen. Ich war sehr gespannt, schon allein der Name der Veranstaltung öffnete zahlreiche Fragen, die nach eine rapide Antwort verlangt haben. Es war mein erstes Mal bei einer Lesung von Ryo. Ich hatte schon einiges über ihn gehört und wollte es dieses Mal nicht verpassen. Die Musik lief nun leiser als vorher, als ob sie für die zunehmende Ruhe des Publikums sorgen sollte. Sie stoppte. Die kleine Nachttischlampe ging an und Ryo laß. Die Harmonie zwischen Wort und Ton spiegelten die Lässigkeit der erzählten Atmosphäre wieder. Zum einen schenkte Ryos Stimme seiner Erzählung einen ganz besonderen sinnlichen Körper, indem sie genauso verschlafen, genauso aufgedreht, genauso bezweifelnd und genauso verliebt wie die Worten klang. Die Worten bedeuteten was seine Stimme spiegelte. Zum anderen tanzte die Musik mit der Stimme und den Worten in einer erweckenden Symbiose, welche das Publikum nur anstecken könnte. Alles passte zusammen: Ryos Stimme, sein Auftreten und gespürte Schüchternheit beim tanzen, die vorgelesene Geschichte, die Musik und die Momente der Erzählung. Und so ist die Zeit vergangen. Oscar kämpfte gegen seiner Gleichgültigkeit, gegen seinen Erinnerungen, gegen seinem Rausch und gegen seinen Gefühlen auf der Suche nach den utopischen Neuanfang, der sich kontinuierlich immer weiter von ihm entfernt. Die Geschichte von Oscar hat mich jedoch am Ende kurz enttäuscht. Auf einmal löste sich alles auf, als ob einen starken Wind plötzlich die Buchstaben Ryos Skript geweht hätte. Das Licht ging an, die Musik war aus und Ryo fasste in zwei viel zu unbefriedigende Sätze was mit unserem „Held“ passierte. Warum so plötzlich?
Erst nach der Vorstellung des hervorragenden DJ Nas’D und dem heißen Applaus dürften wir – die die noch sitzen geblieben sind - noch erfahren, dass den trotz erzählrerischer Enttäuschung in sich schlüssigen Text, den uns Ryo vorgelesen und -getanzt hat, seine persönliche Zusammenfassung des Romans „Sowas von da“ von Tino Hanekamp ist. Blitzartig hat sich die Enttäuschung in Überraschung gewandelt, die das „Leserwurm“ in mir erweckt hat.
Was danach passiert ist, kann ich leider nicht mehr berichten... aber ich glaube fest daran, dass es eine weiter angenehme musikalische und literarische Nacht war. In meinem Fall erwarb ich am nächsten Tag der viel versprechende Roman von Hanekamp.
Nun nur Sorbas zu Ende lesen und schon darf ich auch mittanzen.
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