Donnerstag, November 10

XIV. Willa Cather, Die Frau, die sich verlor


"Stets war sie da, vor der Haustür, um ihre Gäste willkommen zu heißen, deren Nahen Hufschlag und Räderrollen von der Holzbrücke her angekündigt hatten. Wenn sie gerade in der Küche stand und ihrer böhmischen Köchin half, kam sie in der Schürze heraus und schwenkte einen butterbeschmierten Eisenlöffel oder drohte dem Neuankömmling mit kirschgefärbten Fingern. Nie hielt sie sich damit auf, eine Locke hochzustecken. Sie wirklte selbst im Hauskleid reizvoll, und das wußte sie. (...) In seinen Augen und in den Augen der anderen Bewunderer mittleren Alters, die dort verkehrten, war alles "lady-like", was Mrs. Forrester tat, weil sie es tat." (S. 12)

Die Geschichte von der Frau, die sich verlor ähnelt ein typisch amerikanisches Melodram der 50er Jahre. Die glamouröse Bilder, die zwar nur in der Oberfläche sich aufrechterhalten können, werden sorgfältig beschrieben, als ob Willa Cather Hinweise für einen noch nicht gedrehten Film geben wollte. Marian Forrester ist eine junge, lebenslustige Frau, die einen Mann geheiratet hat, der fünfundzwanzig Jahre älter als sie ist. In verschiedene Momente der Erzählung sehe ich fast durch Marian Forrester ein Bild von Zelda Fitzgerald: dreist, stark und kreativ. Mrs. Forrester ist kein gewöhnliches Bildnis der Frauen ihrer Zeit. Vielleicht trank ein bisschen viel zu viel Sherry, vielleicht lachte sie doch ein bisschen zu viel oder war viel zu wohlwollend zu den jungen einfachen Männer Sweet Waters, aber jedoch stets zu sich selbst treu.

Es ist letztendlich eine Frage der kritischen Perspektive, ob Mrs. Forrester sich verlor oder sich vielmehr wiedergefunden hat. Während Niel, der schon seit seiner Kindlheit Mrs. Forrester heimlich liebte, mit dem Bild ihres sozialen Untergangs kämpfte, versuchte Mrs. Forrester sich von den Hindernissen ihrer verstorbenen Ära zu lösen und sich an das neue moderne Leben zu halten. Mrs. Forrester ist sicher einen ganz unkonventionellen Überlebende. Ja, Marian Forrester hat sich verloren, nicht nur aus der Sicht von Niel. sondern auch im Bezug auf die Werte ihrer noch sehr traditionellen Zeit. Aber, ist es nicht so, dass man erstmal was verlieren muss, um was neues zu finden?

Die Kritik war hart zu diesem Roman von Willa Cather. Neben den Vorwürfen eines exzessiven melodramatischen Tons, sind die Thematisierung von Ehebruch und ihre leichtsinnige Anspielungen an einem rein kapitalistischen Materialismus Objekt zwiespaltiger Blicke. Nichtsdestotrotz ist Willa Cather einer der markantesten Schriftstellerinnen ihrer Zeit.

Die Kritik

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